Howard W. French

Howard W. French: Afrika und die Entstehung der modernen Welt

Ausgabe: 2024 | 1
Howard W. French: Afrika und die Entstehung der modernen Welt

„Wir müssen die Geschichte der vergangenen sechs Jahrhunderte und besonders Afrikas zentrale, aber weitgehend unsichtbare Rolle darin ganz neu verstehen, denn Afrika hat fast alles, was uns heute vertraut ist, erst möglich gemacht“ (S. 23). Mit diesen Worten fasst der Journalist Howard W. French die Intention für das Verfassen seines umfangreichen Buches „Afrika und die Entstehung der modernen Welt. Eine Globalgeschichte“ zusammen. Der Autor verschreibt sich dabei der weit verbreiteten, postkolonial motivierten Herangehensweise des Umdeutens der hegemonialen Machtposition „Europas“ zugunsten einer bewussten Hinwendung zu marginalisierten Personen und Erzählungen. French legt eine Analyse der Kolonialgeschichte des afrikanischen Kontinents vor, die er u. a. als eine Geschichte des Wirtschaftswachstums und der Sklaverei offenlegt.

Wie schon einige vor ihm (u. a. Peggy Piesche) arbeitet sich French am Begriff und der Entstehungsgeschichte der Moderne ab, die seine Untersuchung rahmt. Er behauptet, dass der „Erfolg“ der „europäischen“ Moderne nicht nur auf Erfindungen am „europäischen“ Kontinent zurückgeht, sondern maßgeblich von den Reisen von Vasco da Gama, Ferdinand Magellan oder Christoph Kolumbus beeinflusst wurde. Mit der Erweiterung der ihnen bekannten Welt eröffneten sich die Möglichkeiten, wirtschaftliches Wachstum zu fördern. Beginnend mit der Kolonialisierung durch Portugal untersucht French die Strategien der Anhäufung von Waren und Reichtum – ein Unternehmen, das v. a. aufgrund der Sklaverei erfolgreich war. Die Verbindung zwischen „europäischem“ Wohlstand und ausbeuterischen Unterwerfungsstrategien ist zwar kein neuer Ansatz bei French, seine ausdrückliche und ausführliche Betonung ist aber ebenso wichtig, um die Moderne in ihrer vermeintlichen Souveränität zu kritisieren. Obwohl der Autor meiner Ansicht nach nur wenig auf die historischen Unterschiede in den verschiedenen Phasen der Kolonialisierung und ihre unterschiedlichen Motivationen bzw. politischen Aufträge eingeht, – etwa im 15. und 19. Jahrhundert, beide werden häufig erwähnt – betont er doch die durchgängige Konstanz der „europäischen“ Präsenz auf dem afrikanischen Kontinent, die in einer asymmetrischen Beziehung zueinander stehen. Allerdings betont French, dass er nicht „den Afrikanern eine eigene Handlungsfähigkeit abspreche“ (S. 18). Er arbeitet die Verwicklung „afrikanischer“ Herrschender in den Sklavenhandel heraus, die er als Möglichkeit interpretiert, die eigene Macht zu erhalten. Damit relativiert er die binäre Opposition der „afrikanischen“ Opfer und der „europäischen“ Täter:innen. So erwähnt er den Widerstand von Schwarzen Sklav:innen sowie den politischen und kulturellen Einfluss einzelner Königreiche, wie etwa Benin. Allerdings sei hier eine mangelnde Differenzierung zwischen unterschiedlichen „afrikanischen“ Gemeinschaften jenseits fremdbestimmter nationaler Grenzen erwähnt. French veranschaulicht zwar anhand einzelner Beispiele die kulturellen und politischen Praktiken einzelner Gruppen, dennoch entsteht der Leseeindruck, dass „Afrika“ als homogenes Land mit homogener Kultur rekonstituiert wird. Das ist womöglich auch dem übersetzten Titel des Buches (engl. Original: Born in Blackness: Africa, Africans, and the Making of  the Modern World, 1471 to the Second World War) geschuldet.

Die Biografie des Autors ist eng mit dem afrikanischen Kontinent verbunden, dessen familiäre Wurzeln einen direkten Bezug zum transatlantischen Sklavenhandel aufweisen. Er hat viele Orte, über die er schreibt, selbst bereist, was dem Buch eine interessante Relevanz schenkt. In seiner Argumentation bleibt er aber von einem „westlichen“ Blick geprägt. Stimmen der lokalen Bevölkerungen würden dem interessanten und gut lesbaren Werk eine zusätzliche Facette schenken.