Mike Berners-Lee

Es gibt keinen Planet B

Ausgabe: 2020 | 3
Es gibt keinen Planet B

Der Nachhaltigkeitsexperte Mike Berners-Lee hat ein informativ-unterhaltsames Handbuch zu den ökologischen Krisen unseres Planeten geschrieben. Problemfelder werden dabei mit großer Sachkenntnis und gleichzeitig gut verständlich aufbereitet. Die sachlichen Abhandlungen werden außerdem in den Kontext von Werten gesetzt, die der Autor seinen Ausführungen voranstellt: die Gleichwertigkeit aller Menschen, das Recht anderer Lebewesen, auf der Erde zu existieren, die Einsicht, dass Handlungen nie auf Kosten anderer gehen dürfen.

Gleich zu Beginn macht Berners-Lee die Feststellung, dass der Klimawandel aktuell als zentrales Umweltproblem gesehen wird, es aber eine Reihe von weiteren Herausforderungen gibt – ohne dass es aber einen globalen Konsens gäbe, wie diese gelöst werden könnten. Um als Menschheit überleben zu können, geht es um das „große Ganze“. Angesichts der Komplexität kann da der einzelne Mensch „schon davon erschlagen werden“. Trotzdem macht der Autor von Anfang an klar, dass das Individuum sich seiner Verantwortung nicht entziehen kann: „Ich glaube, wir können jeder weit mehr bewirken, als wir annehmen, aber wir müssen viel schlauer werden und verstehen, welche Dinge einen echten Unterschied machen und welche nicht.“ (S. 16)

Umweltprobleme durch Landwirtschaft

In der Folge umreißt Berners-Lee die wichtigsten Nachhaltigkeitsthemen, erst die Ernährung. Landwirtschaft ist eine der Hauptverursacherin für Umweltprobleme; zugleich ist sie essenziell für unser Überleben. Gegenwärtig werden zweieinhalbmal so viel Kalorien pro Kopf als benötigt angebaut; trotzdem gibt es Hungersnöte – durch Verluste bei Ernte, Lagerung, problematischen Lieferketten, doch: „Ungleichheit ist heute die Hauptursache, warum nicht jeder Zugang zu einer gesunden Ernährung hat. Ohne dieses Problem zu lösen, wird es sehr wahrscheinlich immer Hunger geben, egal, wie viel Nahrung weltweit zur Verfügung steht.“ (S. 27) Ein wichtiger Faktor ist dabei die zunehmend bedeutende Rolle von Tieren für unsere Ernährung, die wesentlich weniger effizient ist und mitunter verheerende Auswirkungen auf Umwelt und Klima hat.

Über Energieverbrauch und Wirtschaft

Wichtig ist auch die Energiefrage: Tatsächlich steigt der Energieverbrauch der Menschen ungebremst, mit Steigerungsraten, die höher als das Bevölkerungswachstum sind. 83 Prozent kommen dabei aus fossilen Brennstoffen – und wir müssten dringend aufhören, diese zu fördern, wenn der Klimawandel nicht eskalieren soll. Große Hoffnungen setzt der Autor auf Solarenergie, die freilich nicht überall in gleichem Maße verfügbar ist und daher eine entsprechende globale Kooperation erforderte (wie alle Nachhaltigkeitsthemen). Eine weitere Herausforderung ist das Thema „Effizienz“: Grundsätzlich müssen wir effizienter werden, doch haben Erfolge in diesem Bereich bisher stets dazu geführt, dass der Energieverbrauch gestiegen ist („Rebound-Effekt“). Ein gutes Beispiel dafür ist die digitale Wirtschaft: So sollen etwa Online-Konferenzen und digitale Plattformen Flugreisen reduzieren – gleichzeitig stimulieren sie globale Vernetzung und (ver)führen umso mehr zu jenen Reisen, die sie eigentlich verhindern hätten sollen (vgl. S. 105f.). 

Viel Platz widmet der Autor der Wirtschaft, dem Wachstum und dem großen Einfluss von Kennzahlen sowie dem BIP auf wirtschaftspolitische Entscheidungen. Gerade das BIP sei keine sehr aussagekräftige Zahl für eine Gesellschaft mit hoher Lebensqualität: „Das BIP eines Landes kann intensiv ansteigen, wenn die Menschen nicht mehr so nett zueinander sind. Wenn Freunde nicht mehr kostenlos babysitten oder wie bisher nach dem gebrechlichen Nachbarn schauen, wird das zu einer kommerziellen Aktivität. Ein anderes Beispiel: Auch die Profite aus dem Drogenhandel und aus anderen kriminellen Aktivitäten, die hier gewaschen werden, tauchen im Bruttoinlandsprodukt auf.“ (S. 149) Das BIP müsste daher mit Zahlen zur Lebenserwartung, Umweltverschmutzung, Verfügbarkeit von Nährstoffen, Biodiversität ergänzt werden. Zudem müsse klar werden, dass der freie Markt wenig Lösungen für unsere Umweltprobleme bietet, solange Einzelinteressen nicht mit kollektiven Interessen übereinstimmen – Regulierung ist unerlässlich, ebenso wie gerechtere Verteilung: denn nur dann kann es die komplexe umfassende Kooperation geben, die es benötigt, um unsere multiplen Umweltkrisen zu lösen.

Differenziert betrachtet Berners-Lee die Rolle des Bevölkerungswachstums: „Eine Milliarde rücksichtsloser Menschen können den Planeten leicht zugrunde richten, während 15 Milliarden umsichtige Menschen einfach eng-er zusammenrücken und gut leben können. Allerdings, wenn wirklich alle umsichtig wären, gäbe es ja gar nicht erst 15 Milliarden Menschen.“ (S. 176) Umsicht gilt es auch in der Welt der Arbeit walten zu lassen. Arbeit soll sinnvoll und erfüllend sein – in Begleitung von einem Grundeinkommen, welches Menschen ermächtigen würden, wirklich jene Arbeit anzunehmen, die sie gern tun.

Eine nachhaltige Zukunft im Blick

Am Ende seiner Ausführungen reflektiert der Autor über die Rolle von Werten, Wahrheit und gegenseitigem Vertrauen für eine nachhaltige Zukunft. Faktenlagen prüfen, kritischen Journalismus fördern sowie Transparenz sind dazu unerlässlich, um eine „Kultur der Wahrheit“ zu schaffen – genauso wie eine grundsätzliche Reflexion unserer Werte: Geben wir extrinsischen oder intrinsischen Motiven für unser Verhalten den Vorrang? Schlussendlich brauchen wir eine Transformation, eine neue „Denkweise“ für das 21. Jahrhundert – vernetzt und global mit gleichzeitiger Wertschätzung für einfache, kleine und lokale Dinge, empathisch, zukunftsorientiert, kritisch. 

Ein humorvolles Glossar am Ende des Buches erläutert noch einmal die wichtigsten Begriffe zum Thema Nachhaltigkeit und regt ein letztes Mal zum Nachdenken an – und dazu, selbst aktiv zu werden. Die Wende schaffen wir nur gemeinsam.