Vandana Shiva

Eine andere Welt ist möglich

Ausgabe: 2020 | 2
Eine andere Welt ist möglich

Vandana Shiva, Wissenschaftlerin und Symbolfigur der ökologischen Revolution, hat mit dem Autor und Journalisten Lionel Astruc ein Buch über ihre langjährigen Erfahrungen im Widerstand gegen die übermächtige Gen- und Saatgutlobby verfasst. Stilistisch übernimmt Vandana Shiva die Rolle der Erzählerin und berichtet Kapitel für Kapitel über korrupte Machtverhältnisse und rücksichtslose Unterdrückung im Bereich der globalen Landwirtschaft. „Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) schätzt, dass in den letzten hundert Jahren rund drei Viertel der landwirtschaftlichen Biodiversität verschwunden sind.“ (S. 85) Enge Verflechtungen zwischen industriellen Interessen und politischem Kalkül machen ziviles Engagement notwendiger als je zuvor.

Die Ausführungen bieten einen erschreckenden Einblick in die erheblichen sozialen und ökologischen Folgewirkungen industrieller Nutzung landwirtschaftlicher Flächen und des riskanten „Spiels“ mit genverändertem Saatgut. „Die Globalisierung vermittelt den Unternehmen die Botschaft, dass sie die Konsequenzen ihrer Handlungen nicht zu tragen haben. Sie operieren auf globaler Ebene, um die Gesetzgebung von Staaten zu umgehen oder auszuhebeln.“ (S. 57) Durch das breite Netzwerk der Autorin konnten global agierende Strategien der Lebensmittelindustrie aufgedeckt und fadenscheinige Werbeslogans gegen Mangelernährung und Welthunger entzaubert werden.

Die Lektüre hat neben der Aufklärung über Missstände eine weitere Funktion, denn all diesen moralischen Grenzüberschreitungen zum Trotz schafft es Shiva, ein Saatkorn Hoffnung zu säen. Das Buch verweist auf kleine wie große Maßnahmen zum Schutz der Ernährungssouveränität, lässt teilhaben an Sieg und Niederlage und macht deutlich, wie weitreichend bereits kleine Veränderungen unseres Konsums sein können. Gegen Ende veranschaulicht Shiva nochmals die Dringlichkeit, die hinter ihrer Forderung nach einem Systemwandel steht. Im Zentrum ihrer Kritik steht das moderne Konsumverhalten, welches die globale Überproduktion und die vorherrschende Ausbeutung von Mensch und Natur als Notwendigkeit zu legitimieren versucht. „Aber mit der Lüge verhält es sich wie mit einer übersättigten Lösung: Gibt man nur einen Tropfen Wahrheit hinzu, so kristallisiert sich alles um ihn herum.“ (S. 175)