Michael Girkinger

Alles. Immer. Besser.

Ausgabe: 2023 | 4
Alles. Immer. Besser.

„Das ist kein Buch, das Selbstoptimierung ablehnt oder geringschätzt. So einen definitiven Standpunkt einzunehmen, halte ich für vermessen, denn die Möglichkeiten zur Selbstoptimierung sind genauso vielfältig wie die individuellen Erfahrungen damit“ (S. 7). Das schreibt der Politikwissenschaftler Michael Girkinger zu Beginn seines Buches. Dem Versprechen wird er gerecht, ohne dass er dabei darauf verzichtet, kritisch zu sein, wo sein Untersuchungsgegenstand dies erfordert.

Mit der Selbstoptimierung schwinge die Idee mit, dass wir das Leben immer so richten können, wie wir es wünschen. Ein riesiger Glücksmarkt rund um die persönliche Entwicklung verspreche ein Leben, in dem wir uns ausschließlich wohlfühlen und mit uns im Reinen sein können. Was davon abweiche, wirke plötzlich therapiebedürftig, vorläufig, schal, als kleiner Wurf, nicht als Teil des Lebens mit all seinen Kompromissen, Licht- und Schattenseiten. Das sei die größte Gefahr solcher Optimierungsversprechen für Girkinger: Sie kultivieren ein Gefühl der Unzulänglichkeit und nähren mit Bildern von einem perfekten Leben unrealistische Erwartungen (vgl. S. 18). Drei Ängste treiben uns in der Folge um: Nicht zu genügen, etwas zu verpassen und sich selbst zu verfehlen.

In einem besonders spannenden Teil des Buches geht Girkinger der Geschichte der Selbstoptimierung nach. Der Ausdruck trete erstmals in der Mitte des 20. Jahrhunderts auf, bevor er sich zur Jahrtausendwende dynamisch verbreitet habe. Aber schon früher gab es Pioniere der Selbstoptimierungstechniken. Der Philosoph und Lebensberater Broder Christiansen schrieb 1919 das Buch „Ich will – Ich kann!“. Bei ihm war es der Wille, der wie ein Muskel trainiert werden müsse, um erfolgreich zu sein. Im Jahr 1927 erschien das Buch „Sich selbst rationalisieren – Lebenserfolg ist lernbar“ des Psychologen Gustav Großmann.

Der Autor benennt Dynamiken, die dazu führen, dass Selbstoptimierung heute von zunehmender Bedeutung ist. Zum einen komme es zu einer Vermarktlichung des Alltags. Für immer mehr Tätigkeiten gebe es Angebote, die das Leben gegen Geld besser machen können. Zum anderen fänden wir uns in einer postindustriellen Gesellschaft wieder, wie sie der Soziologe Andreas Reckwitz als „Gesellschaft der Singularitäten“ beschrieb. Das Streben nach Einzigartigkeit und Außergewöhnlichkeit werde heute bedient durch die Industrie der Selbstoptimierung (vgl. S. 60ff.).